Aktive Nutzung von Fehlern in Unternehmen

Aiko Müller-Buchzik, 01.11.2017
Der Unterschied zwischen einem optimalen und einem realen Prozess ist meist durch Fehler zu charakterisieren. In der Theorie kann ein (Produktions-)Prozess noch so optimal entwickelt worden sein, in der Realität kommen dann aber Menschen und Maschinen mit den unterschiedlichsten Einflussgrößen ins Spiel. Und genau durch diese Einflussfaktoren kommt es bei Mensch und Maschine zu Abweichungen vom ideal konzipierten Prozess.

Abweichungen vom idealen Prozess bedeuten erst einmal eine Verringerung des maximalen Gewinns. Selbst wenn nicht mit dem maximalen Gewinn, der sich aus einem Prozess ziehen lässt, gerechnet wird, so bedeutet jedwede Abweichung die Annäherung an die Unwirtschaftlichkeit eines Prozesses. Die Herangehensweise an die Vermeidung von Abweichungen innerhalb eines Prozesses sind unterschiedlich und auch sehr stark von den Gegebenheiten abhängig, in denen der Prozess geschieht. Im Folgenden soll es um den Faktor Mensch gehen und wie ein Unternehmen Fehler behandeln sollte, damit Fehler nicht nur unliebsame Abweichungen sind, sondern ein, zwar übles, aber zumindest hilfreiches, systembedingtes Vorkommnis in einem Unternehmen darstellen.

Definition Fehler

Fangen wir also an und beschäftigen wir uns erst einmal damit, was ein Fehler überhaupt definitionsgemäß ist. Im ersten Abschnitt habe ich es als Abweichung von einem idealen Prozess beschrieben. Gleiches kann man in unterschiedlichen Worten auch in diversen Veröffentlichungen finden. Die Wissensgemeinde von Wikipedia definiert Fehler zum Beispiel wie folgt[1]: "Ein Fehler ist die Abweichung eines Zustands oder Vorgangs, der bezüglich der zu erfüllenden Aufgaben festgelegt ist." Dies ist im Allgemeinen zu unspezifisch. Innerhalb eines Unternehmens mit dem Ziel den Idealzustand (Prozesse frei von Abweichungen) zu erreichen, sollten wir noch mehr auf die Qualität schauen und finden hier zum Beispiel folgende Definition: "Für den Kontext des Qualitätsmanagements wird Fehler definiert als ein Merkmalswert, der die vorgegebenen Forderungen nicht erfüllt und als Nichterfüllung einer Anforderung [...]." Diese Definition stammt in Teilen inhaltlich aus der ISO 9001, der internationalen Norm für das Thema Qualitätsmanagement und für die folgenden Betrachtungen damit durchaus eine sinnvolle Basis.

Eigenschaften eines Fehlers

Wenn wir von Fehlern reden, dann müssen wir zwei Typen unterscheiden: Zum Einen den unerwarteten, und zum Anderen den erwarteten Fehler. Zweiterer ist häufig in der Technik zu finden und ist zum Beispiel in der Konstruktion eines Bauteils begründet. Es kann aber auch ein Fehler sein, der bei Auftreten bestimmter Rahmenparameter eintreten muss, als Beispiel sei hier die Überhitzung eines elektrischen Bauteils durch übermäßige Sonneneinstrahlung und eine damit verbundene unerwünschte Funktion des Bauteils sein. Erwartbare Fehler kann man durch Steuerung der Rahmenparameter vermeiden oder absichtlich herbeiführen (z. B. Notabschaltung eines Kernkraftwerks bei Überhitzung von Brennstäben). Sofern die Rahmenparameter unbekannt sind, so erhalten wir einen unerwarteten Fehler, welcher sich eben genau dadurch auszeichnet, dass er nicht kalkulierbar ist. Und hier sind wir dann bei der häufigsten Fehlerquelle: der Mensch.

Der Mensch als Fehlerquelle

Ein ehemaliger Chef von mir erklärte das immer so: "Schimpfe niemals auf den Kasten, das Problem sitzt vor dem Kasten!". Und in den meisten Fällen sind es eben Menschen, welche die Fehler machen. Fehler bei Maschinen sind also kontrollierbar, und Fehler durch Menschen nicht? Das wäre dann doch zu einfach gedacht, denn: Fehler bei Maschinen sind letztlich auch nur deshalb möglich, weil Menschen den Maschinen Parameter implementiert haben, die unter dem Eintrittsfall jener Parameter zu einem Fehler der Maschine führen. Nur, dass eben diese Fehler bei Maschinen durchaus voll beabsichtigt entwickelt wurden. Wofür, sei an dieser Stelle nicht wichtig, es zeigt aber, dass Menschen Fehler durchaus im Griff haben. Und genau hier möchte ich ansetzen. Der Mensch macht Fehler, ja. Im Rahmen der Erreichung des am Anfang beschriebenen Ziels (Erreichung eines idealen Prozesses) ist der Mensch aber auch derjenige, der notwendig ist, um einen Prozess ideal werden zu lassen.

Der Fehler als Arbeitsmittel

Wie entsteht ein Prozess. Nun, zuerst einmal im Kopf eines oder mehrerer Menschen. Danach erfolgt eine Umsetzung und das Leben eines Prozesses. Manchmal ja auch in der Abschaffung, aber dies liegt in dieser Betrachtung außerhalb des Rahmens. In allen Teilschritten macht der Mensch Fehler.

Frage
Bereits vor der Konzeption muss sich der Mensch überhaupt erst einmal eine Frage stelle, die er mittels eines Konzeptes lösen will. Also zum Beispiel: Ich brauche XYZ, wie mache ich das? Etwas übertrieben kann bereits hier ein Grundstein für eine Kette von Fehlern im finalen Prozess gelegt werden. Die Frage selbst sollte also noch einmal durchdacht werden, denn alles Folgende basiert auf der Frage und wenn die schon falsch gestellt ist, folgt sehr selten das gewünschte Ergebnis.

Konzept
Steht die Frage, beginnt ein scheinbar irrsinnig langer Prozess. Jeder Konzeptentwickler kennt das: Die Frage steht, es werden erste Ideen zur Umsetzung gesammelt (die Methode sei dabei egal). Dann werden einzelne Ideen auf Verdacht weiterentwickelt. Innerhalb dieses Prozesses tauchen Probleme auf, welche besprochen werden und vielleicht zur Entscheidung führen, dass die entsprechende Strategie nicht weiter verfolgt wird. War die Idee also falsch? Nein, im Gegenteil! Sie hat dazu geführt, eine wichtige Erkenntnis zu erhalten, die der Umsetzung der Frage gedient hat. Einige Ideen werden weitergedacht, wobei es kennzeichnend ist, dass immer wieder Mal zu einem früheren Stand der Konzeptionierung zurückgegangen wird, weil es nicht weitergeht. Dieser Prozess ist vollkommen in Ordnung und führt irgendwann zu einer Lösung für die Ausgangsfrage. Nicht umsonst dreht man sich manchmal (scheinbar) im Kreis ohne voran zu kommen.

Umsetzung
Bisher haben wir bei Frage und Konzeptionierung Fehler benötigt, um zur Umsetzung zu kommen. Bei der Umsetzung zeigen sich dann an der einen oder anderen Stelle Fehler bei der Konzeptionierung: Oh, der Schrank hat die Maßen 3 x 4 Meter, die Öffnung in der Wand ist nur 2 x 3,75 Meter groß. Soll vorkommen und ist sicherlich verdammt ärgerlich - aber auch hier folgt eine Lösungsfindung. Das Problem wurde erkannt (auch wenn dieses Problem wirklich ziemlich peinlich ist) und genau das ist das wichtigste an dieser Stelle, denn ohne Erkennen des Problems käme die Umsetzung nicht voran. Auch in der Phase der Umsetzung haben wir also keinen linearen Prozess, sondern einen Prozess mit Schleifen, die aber letztlich zu einem Ergebnis führen. Auch hier kann das Ergebnis tatsächlich auch der Abbruch der Einführung des Prozesses bedeutet.

Leben
Der Großteil des Gesamtprozesses eines Prozess selbst ist das Leben des Prozesses innerhalb eines Unternehmens. Wie bereits geschrieben: Dies trifft sowohl für administrative, wie auch für produktive Prozesse zu - nur sind eben die Beteiligten unterschiedlich. Bisher haben wir in jedem Teilschritt bei der Einführung Fehler machen müssen, um zum Ergebnis zu kommen. Selbst bei der Umsetzung wurden noch Fehler gemacht. Trotz allen Denkens: Es wird immer Fehler geben, selbst in Deutschland - dem Land, was angeblich so toll projektiert wird - sind Fehler etwas ganz Normales. Entscheidend ist auch nicht der Fehler, sondern das Erkennen des Fehlers (siehe Wandöffnung) und das Umschiffen, Beseitigen, etc des Problems. Und natürlich wird es auch im Leben des Prozesses zu Fehlern kommen, die in den vorhergehenden Schritten nicht erkannt worden sind, vielleicht auch gar nicht erkannt werden konnten oder es wurde entschieden, es auf einen Fehler drauf ankommen zu lassen. Die meisten Fehler werden nun nur wahrscheinlich von Menschen gemacht, die nicht oder nur wenig in die Konzeption eingebunden waren (was an sich ggf. auch schon selbst ein Fehler sein kann). Und selbst wenn viele Agierende sich beteiligen konnten, es kommt dennoch zu Fehlern - zwar weniger als bei Prozessen, die im dunklen Kämmerchen erdacht wurden, aber dennoch real.

Man kann es sich aber natürlich immer auch etwas einfacher machen. Ich renne mal eben los und entscheide kurzfristig, wie ich ein Problem umschiffen möchte, ist in einer Gemeinschaft wesentlich schwieriger, als wenn ich ein Einzelkämpfer bin. In der Gemeinschaft wird diese Vorgehensweise mit hoher Sicherheit zu einem höheren Maß an Verstimmtheit und Fehlerauftritten führen - für Einzelkämpfer kann es (wegen eines Minimalmaßes an Konzeptionierung) sogar der wirtschaftlichere Weg sein. Das ist auch Abhängigkeit von der Persönlichkeit der Person(en).

Fehlerakzeptanz

Im Unternehmen kann sicher jeder über Fehler ärgern wie er will. Doch bringt dies meist nicht viel, denn der Fehler wurde ja meist gemacht. Wie wird mit einem Fehler umgegangen? Kurzfristig wird eine Lösung gefunden. Im zweiten Schritt (und aus meiner Sicht der wichtigere Schritt) wird hoffentlich versucht, diesen Fehler nicht noch einmal auftreten zu lassen. Ein Beispiel aus dem Dienstleistungsbereich: Person A erstellt eine Liste auf Basis von übermittelten Daten. Person B schaut sich die Liste an, arbeitet zu einem späteren Zeitpunkt weitere Daten ein und passt (warum auch immer) die bisher eingetragenen Daten an. Die neue Liste wird auf dem Server abgelegt und liegt (zumindest theoretisch) für die weitere Bearbeitung zur Verfügung. Sollte man meinen und in einem guten Prozess wird dies auch so geschehen - aber natürlich nicht in diesem Beispiel. Hier nimmt Person A nämlich nicht die neue Datei sondern seine Liste und bearbeitet diese weiter. Am Ende wirft Person B der Person A vor, sie sei nicht in der Lage, ordentliche Listen zu erstellen und darüber hinaus setze sich Person A über Person B hinweg (ich vergaß zu erwähnen, dass Person B Projektleiter und Person A einfaches Projektmitglied ist). Wie kann so etwas verhindert werden? Vorher durch klare Prozessbeschreibungen und hinterher, in dem sich am Ende des Projektes (oder regelmäßig) die Projektbeteiligten zusammenhocken, das Projekt und aufgetretene Ineffizienzen (denn im Beispiel ergibt sich ja eindeutig Mehrarbeit) besprechen und diese geordnet in den Grundprozess eingearbeitet werden. Was genau geändert wird kann vielfältig sein und ist abhängig vom Prozess selbst.

Ich meine darüber hinaus aber noch etwas mehr: Wenn die beteiligten Personen aus obigem Beispiel sich hinterher nicht zusammensetzen, wird das Problem so oder in ähnlicher Form noch einmal auftreten - vielleicht ja bei einem anderen Team. Wenn nicht, warum? Liegt es vielleicht doch an den Personen? Ist das Problem doch gar kein prozessbedingtes, sondern ein menschliches Problem? Das ist egal, wichtig ist es darüber zu reden und nach einem vorgebenen Prozess den Fehler unter Berücksichtigung der Prozessschritte selbst und der Agierenden für die Zukunft zu vermeiden. Und nicht zu vergessen (auch wenn ich mich wiederhole): Auf keinen Fall ist die Person für den Fehler verantwortlich zu machen, da diese Person den Fehler zu Tage geführt und eine Verbesserung (Gewinnsteigerung) ermöglicht hat!!!

System zur Fehlerbehebung

Wichtig bleibt: Der Fehler wurde gemacht, es wird darüber gesprochen und am Ende tritt der Fehler unter diesen Voraussetzungen nicht mehr auf. Und sollte der Mensch das Problem sein, dass muss der Verbesserungsprozess auch personelle Konsequenzen berücksichtigen (dürfen). Das geht, sofern der Prozess kontinuierlich und offen durchgeführt wird. Hier funktioniert das dunkle Kämmerchen nicht und es hilft auch gar nicht. Überspitzt möchte ich empfehlen, demjenigen zu danken, der den Fehler gemacht hat, damit er (der Fehler) für die Zukunft nicht noch einmal auftritt. Deswegen übernehme ich gerne einen Begriff, den ein Bekannter mal mir gegenüber geäußert hatte. Personen, die Fehler machen, sind (bezahlte) Problemfinder. Ob gewollt oder nicht, Sie zeigen Fehler im System und es ist die Aufgabe der leitenden Mitarbeiter dafür zu sorgen, dass die gefundenen Fehler in den allgemeinen Prozess aufgenommen wird.

Herausforderung für Unternehmen

Der aufmerksame Leser wird es gemerkt haben. Es geht also um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) im Rahmen eines Qualitätsmanagementsystems (z. B. gem. ISO 9001), bei dem mit Vorbild (vor)ausgehend die Unternehmensleitung Fehler als positiv ansehend durch implementierte Prozesse (hier der KVP) für die Zukunft vermeidet. Ein Fehler kostet Geld, weil er den Prozess von der Existenz als idealen Prozess abhält. Das Schlimmste, was passieren kann ist ein Prozess, in dem Mitarbeiter Fehler immer wieder machen und vertuschen/umgehen/ausbügeln, ohne dass jemand etwas davon erfährt - und das vielleicht an jedem Tag. Diese Situation ist nur dann als positiv zu bewerten, wenn niemandem im Unternehmen der Fehler bewusst ist, dass der Fehler geschieht. Negativ, wenn der Fehler ganz bewusst gemacht wird. Hier hilft ein entsprechendes Qualitätsmanagementsystem und ein offener Umgang mit Fehlern; Stichwort: Fehlerkultur im Unternehmen.

Schön, dass Sie bis hierher durchgehalten haben. Und falls Sie ein KMU sind: Wussten Sie, dass es eine staatliche Förderung für die Einführung und Aufrechterhaltung eines Qualitätsmanagementsystems gibt? Diese Förderung erhalten Sie, wenn Sie entsprechend beraten werden und - Sie werden es ganz richtig vermuten - ich bin für dieses Förderprogramm als Berater gelistet. Selbst wenn Sie bereits ein (zertifiziertes) Managementsystem haben, so können Sie unter Umständen eine Förderung erhalten, wenn wir uns gemeinsam Ihren KVP noch einmal anschauen. Ob und in welchem Umfang dies für Sie möglich ist, können wir gerne besprechen. Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme.

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